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14.05.2016
Dr.- Ing. Albert Ott
 
 
    Prof. Dr.- Ing Albert OTT  Wiesbaden
 
Ingenieurlücke - Ingenieurschwemme
Wohlstandsgefährdung oder Bildungsverschwendung ?
 
 
Zielsetzung und Methode

Ingenieurlücke und Ingenieurschwemme oder, etwas weniger plakativ dafür seriöser ausgedrückt, Ingenieurmangel und -überschuss, sind zwei mit wechselnder Intensität diskutierte Begriffe. Hängt doch nach weitgehend übereinstimmender Meinung von Wirtschaftsführern, Verbandsvertretern, Wissenschaftlern, Politikern aller Parteien und anderen Diskussionsteilnehmern der Wohlstand der Bürger in Deutschland von der Arbeit einer an den Bedarf möglichst gut angepaßten Anzahl auf hohem Niveau ausgebildeter und damit hochqualifizierter Ingenieure ab.
In etwas übertreibender Deutlichkeit soll in den Diskussionen durch die genannte pointierte Begriffswahl ausgedrückt werden, daß bisher praktisch zu keinem Zeitpunkt der Ingenieurbedarf  gedeckt und gleichzeitig eine Arbeitslosigkeit ausgebildeter Ingenieure vermieden werden konnte und daß die Vereinbarkeit beider Ziele möglicherweise auch in Zukunft unerreichbar sein könnte.

Läßt sich ein Gleichgewicht zwischen tatsächlichem Bedarf und Zahl der zur Bedarfsdeckung Ausgebildeten herstellen ? Mit welchen Maßnahmen ist das erreichbar ? Falls es gelingt, wie gut funktioniert das dann auf Dauer ? Sind negative Begleiterscheinungen vermeidbar? Lassen sich Fehlinvestitionen in teure Ausbildungspapazitäten vermeiden? Läßt sich das für eine Demokratie unerläßliche Prinzip der freien Berufswahl erhalten?. Und wie kann bei alledem ein Wohlstansverlust vermieden werden?

Um Antworten auf die "Lückenfrage" zu finden, werden zahlreiche Statistiken über den Istzustand und noch mehr Prognosen über die künftigen Entwicklungen erstellt. Die veröffentlichten Ergebnisse unterscheiden sich je nach Interessenlage meist beträchtlich und weisen ein ständiges Auf und Ab zwischen Überschuss und Mangel auf. Gerade dieses Wechselspiel wird zu Recht als Problem gesehen und wirft die Frage auf, ob es unter den gegebenen Votraussetzungen zwingend auftreten muß. Von Teilnehmern an der Diskussion wird gelegentlich auch das Wort "Schweinezyklus" verwendet, ein Begriff, den ich in diesem Zusammenhang lieber nicht verwendet sehen möchte, der aber nun einmal im Raum steht.

Der Schweinezyklus ist ein in der Wirtschaftslehre gut bekannter Begriff. Er besagt, daß Landwirte bei hohen Schweinefleischpreisen einen Anreiz haben, viele Tiere zu züchten. Wenn nach der Aufzuchtphase die Tiere auf den Markt kommen, tritt ein Überangebot mit Preisverfall ein, was zum starken Zurückfahren der Aufzuchtzahlen und damit später zu einem Unterangebot mit wieder steigenden Preisen führt, worauf sich der Zyklus wiederholt.

Die Hauptursache für derartige Zyklen ist die Verzögerungszeit zwischen Ursache und Wirkung. Maßnahmen, die zur Behebung eines Mangels eingeleitet werden, wirken nicht sofort, sondern erst mit Verzögerung. Bessert sich dann die Mangelsituation, so wirken wegen der Verzögerung die Behebungsmaßnahmen noch eine zeitlang in Richtung Überschusserzeugung weiter, worauf eine Umsteuerung einsetzt, die dann ihrerseits ebenfalls mit Versögerung  einen neuen Mangel einleitet : ein Zyklus hat begonnen, so wie er sich auf dem Arbeitsmarkt laufend abspielt, insbesondere auch auf dem hier behandelten Gebiet, dem Arbeitsmarkt für Ingenieure.

Es reicht nicht aus, wenn man sich der Lösung des Zyklus-Problems in ausschliesslich verbalen Diskussionen widmet. Eine rein qualitative Behandlung kann nicht erfolgreich sein, dazu sind quantitativ arbeitende Methoden erforderlich. Dabei hilft entscheidend die Aufstellung eines mathematischen Simulationsmodells und dessen Durchrechnung weiter. Ein solches Modell soll vom Ansatz bis hin zu den Ergebnissen hier behandelt werden.

Ziel ist, herauszufinden, ob und ggf. wie die Zahl der berufsfähig ausgebildeten Ingenieure bei normalem Konjunkturverlauf mit seinen üblichen Schwankungen besser an den tatsächlichen Bedarf angepasst werden kann, wobei chaotische Konjunkturverläufe nicht mit einbezogen werden. Es soll auch herausgearbeitet  werden, durch welche Parameter sich Ingenieurlücke und -mangel beeinflussen und wenn möglich minimieren lassen. Das Prinzip der freien Entscheidungsmöglichkeit der Studierfähigen für einen Beruf ist dabei zu wahren, die Berufsentscheidung des Einzelnen soll allein aufgrund der Kenntnis aller frei zugänglichen Informationen fallen, diese sollen aber wirklichkeitsgerecht und interessenneutral veröffentlicht werden.

 
 
 
Bild 1: Das Berechnungsmodell
 
Bild 1 zeigt das zugrundegelegte Berechnungsmodell. Im blauen Kasten wird die Zahl der berufstätigen Ingenieure N1 gebildet, die benötigt wird, damit die Anforderungen der Wirtschaft erfüllt werden können. Eingeschlossen sollen dabei alle Tätigkeitsfelder von Ingenieuren sein, wie Entwicklung, Konstruktion, Produktion, Prüfwesen , Ausbildung usw. Nicht einbezogen sollen künstlich hochgeschraubte Bedarfsanfoderungen werden, welche zu dem Zweck erhoben werden könnten, die Ausbildungszahlen übermäßig zu steigern um danach auf ein möglichst großes Ingenieurreservoir zugreifen zu können. Die gelben Blöcke betreffen die Personenzahlen  in den verschiedenen Stadien des Ingenieurberufes. Der Anteil aus der Gesamtheit studierfähiger Personen, der ein Ingenieurstudium beginnt, wird durch eine Reihe von Parametern bestimmt. Persönliche Neigung zu diesem Beruf, Berufsaussichten, Verdienstmöglichkeiten usw. sind wichtige Kriterien. Argumente, die zur Entscheidung über eine Studienwahl führen, kommen aus dem grünen Kasten, in dem alle Informationen zusammengeführt, verknüpft und den Beteiligten wieder zur Verfügung gestellt werden. Daraus folgen im Berechnungsmodell dann die (in Bild 2 erläuterten) Zahlen N2, N3, N4, bis hin zu der Zahl N5 der aus der Berufstätigkeit Ausgeschiedenen.

Kern des Modells ist, daß die wichtige Zahl N3 der im Beruf tätigen Ingenieure von n2, also der Zahl der Studienanfänger, und dadurch mittelbar von N1 bis N4 bestimmt wird und daß dadurch wiederum n2 mittelbar u.a. von N3 abhängt. Die Größen sind sich gegenseitig Ursache und Wirkung mit dem wesentlichen Merkmal der infolge der Studiendauer zeitverzögert einsetzenden Wirkung.

Das Modell beruht auf einem System von Differenzengleichungen, welche numerisch gelöst werden. Die  verwendeten Formelzeichen sind in Bild 2 zusammengestellt. Die unabhängige Variable ist die Zeit mit dem Schrittindex i. Der Maßstab ist so gewählt, daß ein Zeitschritt einem Semester gleich einem halben Kalenderjahr entspricht. . Die Großbuchstaben N1 bis N5 bedeuten die zu einem Zeitpunkt i insgesamt vorhandenen jeweiligen Personenzahlen, die Kleinbuchstaben n bedeuten die zu den N zugehörigen  Inkremente im  i - ten  Schritt.  Sämtliche Parameter p gehören zu den Modellvorgaben  für den Ingenieurbedarf N1, ihre Bedeutung ist aus den Gleichungen des Bildes 3 ersichtlich.  Die Parameter s gehören zum System der Berechnungsgleichungen, die Bild 4 zeigt. Zwischen den Variablen der Abszisse und Ordinate und den Parametern.p bestehen folgender Maßstabsbeziehungen: Ein Schritt der Variablen i entspricht wie gesagt einem halben Jahr; die Maßeinheit für p1, p2, p4, p7 und p10 ist ein Wert von 2.000 Ingenieuren. Zu den Parametern p3, p5, p6, p8, p9 und p11 gehört als Maßeinheit ein Iteratinsschritt.
 
 
 
 
Bild 2: Bedeutung der Formelzeichen
 
Die in Bild 3 gezeigten Modelle für die Bedarfsvorgabe sind alle durch einen zeitlichen Anstieg gekennzeichnet. Dies ist in Übereinstimmung mit der geschichtlichen Entwicklung der im Ingenieurberuf Beschäftigten und dieser Verlauf kann auch angesichts der steigenden technologischen Anforderungen an Wirtschaftsgüter für die Zukunft vorausgesetzt werden. Wie gesagt, sollen chaotische Entwicklungen hier nicht untersucht werden.

Die  einfachste Vorgabe für den Ingenieurbedarf ist ein linearer zeitproportionaler Anstieg, dessen Steigung durch den Parameter p1 bestimmt wird. Das ist natürlich eine Idealisierung, gestattet aber einen ersten Blick auf den Verlauf von Ingenieurmangel und -überschuss, ohne daß sich zunächst weitere Einflüsse überlagern, welche erst in die Modelle 2 bis 4 eingehen.

Modell 2 fügt dem linearen Anstieg einen Konjunkturzyklus in Form der periodischen Sinus-Funktion hinzu.  Der Paramter p3, maßgebend für die Periodendauer, kann dabei den Einfluß der bekannten Konjunkturzyklen in die Berechnungen einführen. Ein typischer bekannter Wert aus der Vergangenheit für eine Zyklusperiode sind 14 Jahre, also 28 Zeitschritte. Will man zusätzlich andere Konjunkturzyklen in die Berechnung einführen, so kann man leicht die Sinus-Funktion zu einer Fourier-Reihe erweitern. In der Wirtschaftswissenschaft sind zahlreiche Modelle für Konjunkturzyklen bekannt, deren Auswirkung auf Ingenieurzyklen ein interessantes Berechnungsziel ist, welches aber erst in einer später folgenden Untersuchung behandelt werden soll

In Modell 3 wird der linearen Funktion eine "Boom-Funktion" hinzugefügt. Bestimmte Ereignisse können zu einem plötzlich erhöhten Ingenieurbedarf führen, der sich nach Boomabkühlung wieder normalisiert, also wieder mit rein linearem Anstieg weiterläuft. Zur Formulierung diser Funktion wird eine Gauß-Normalverteilung verwendet. Der Parameter p5 bestimmt die Lage auf der Zeitachse, p6 die Breite der Verteilungskurve. Ein positiver Wert von p4 drückt einen Boom aus, ein negativer Wert eine Depression. Beide Ereignisse waren in den letzten drei Jahrzehnten wirksam und haben ihre Nachwirkungen im Ingenieurbestand bis heute noch nicht ganz verloren. Auch eine Abfolge von Boom und Depression lät sich durch zwei aufeianderfolgende Gauß-Funktionen unterschiedlicher Vorzeichen von p4 untersuchen.

In Modell 4 ist der linearen Funktion eine S-Kurvenfunktion überlagert. Das bewirkt, daß sich die Steilheit der Anstiegsfunktion zeitweise erhöht um schlielich wieder zur vorherigen Anstiegssteilheit zurückzukehren. Der Parameter p9 bestimmt die Lage der Funktion auf der Zeitachse, p9 ist das Maß für zusätzliche Steigung. Ähnlich wie beim Modell 3 kann auch hier eine positive oder negative Änderung eingeführt werden, je nach Vorzeichen des Parameters p7. Der Unterschied zwischen den Modellen 3 und 4 besteht darin, daß bei M 3 zeitweise der Bedarf steigt, bei M4 dagegen zeitweise der Bedarfsanstieg zu- und wieder abnimmt, der Bedarf selbst dann auf dem höheren erreichten Bedarfsniveau weiter linear mit der vorhergehenden Steigung zunimmt.

In Modell 5 schließlich ist der linearen Funktion eine Exponentialfunktion überlagert. Damit nimmt sowohl der Bedarf als auch der zeitliche Anstieg des Bedarfs zu. Die Subtraktion von 1 soll bewirken, daß im Startzeitpunkt der Berechnung, also bei i gleich Null, sowohl der lineare als auch der exponentielle Anteil ebenfalls bei Null beginnen.
 
 
 
Bild 3: Die Modellvorgaben für den Ingenieurbedarf als Funktion der Zeit
 
Das System der Berechnungsgleichungen ist in Bild 4 zusammengestellt. Die Differenzengleichungen verknüpfen alle Zahlenwerte von Studenten und fertig ausgebildeten Ingenieuren unter Einbeziehung der in Bild 2 erläuterten Parameter.
Bild 4 beginnt mit der Zahl n2 der Studienanfänger für den Ingenieurberuf; sie beruht in unserem Gesellschaftssystem auf der freien Entscheidung der Studierfähigen für den angestrebten Beruf. Dabei spielen zahlreiche Entschei-dungskriterien eine Rolle. Gerade bei Ingenieuren wählt ein erheblicher Teil der Studierfähigen schon seit jeher aus einer persönlichen Affinität heraus sein Studienfach. In dieser Gruppe liegt auch die Quote der Studienabbrecher stets sehr niedrig; man kämpft sich auch bei auftretenden Schwierigkeiten durch bis zum erfogreichen Studienabschluß Der andere Teil der Studienanfänger trifft seine Entscheidung unter Berücksichtigung zahlreicher Kriterien. Man informiert sich über die Zahl N1 der gesuchten Ingenieure,über die Abweichung  N1 - N3  der gesuchten von den bereits im Beruf praktizierenden Ingenieuren und auch über die Zahl N4 der berufsfremd Tätigen, die evtl. arbeitslosen Ingenieure eingeschlossen. Weitere Kriterien sind natürlich die marktüblichen Ingenieurgehälter, Aufsteigschancen, Möglichkeiten für eine Auslandstätigkeit und nicht zuletzt der soziale Status des Ingenieurs in der Gesellschaft. In diesem Modell wird die Studienanfägerzahl n2 durch eine Linearkombination von N1 bis N4 gebildet, wie in Gl. (4.1) symbolisch angegeben.

Die Gesamtzahl N2 der jeweils in Ausbildung befindlichen Ingenieur-Studenten wird gemäß Gl. (4.2) durch Aufsummieren von n2 über die Studiendauer hinweg gebildet. Der den Parameter s5 enthaltende Term berücksichtigt, daß potentielle Studienabbrecher im Mittel für eine halbe durchschnittliche Studiendauer in der Studentenzahl enthalten sind. In Gl. (4.3) wird die je Zeitschritt in den aktiven Beruf eintretende Zahl n3 an Ingenieuren berechnet. Es ist, zeitverzögert um die Studiendauer s1, die Zahl der Studienanfänger, multipliziert mit der Erfolgsquote (1 - .s5) und mit der Berufseintrittsquote s6.und vermindert um die altersbedingt ausscheidende Zahl  Diese ergibt sich zum aktuellen Zeitpunkt i aus der Zahl der Berufseinsteiger zu dem um die Berufsausübungsdauer s2 zurückliegenden Zeitpunkt ( i - s2). Die Gesamtzahl der im Beruf tätigen Ingenieure berechnet Gl. (4.4) durch Aufsummieren aller n3 .Analog zu den Gl. 4.3 und 4.4 berechnen die Gl. 4.5 und 4.6 die Zahlen für die berufsfremd tätigen Ingenieure. Da von den altersbedingt ausgeschiedenen Ingenieuren kein Entscheidungskriterium für potentielle Studienanfänger ausgeht, ist die Berechnung deren Anzahl N6 in Bild 4 nicht enthalten. Die Berechnungen werden über eine angenommene Berufsdauer von 40 Jahren , also 80 Iterationsschritte erstreckt. Die Diagrammbeschriftung erfolgt in Jahren.
 
 
 
Bild 4: Das Gleichungssystem zur Berechnung der Zahl berufstätiger Ingenieure
 
Die in Diagrammform dargestellten Berechnungsergebnisse werden durch zwei Zahlenwerte für den Ingenieurüberschuss und/oder -mangel im Zeitintervall von 40 Jahren also den erwähnten 80 Iterationsschritten ergänzt. Diese Werte werden mittels der in Bild 5 angegebenen Gleichungen 5.1 und 5.2 brechnet. Die Ergebnisse haben die Dimension Tausend Ingenieurjahre, abgekürzt TIJ. Sie sind wie folgt zu interpretieren : Fehlen beispielsweise 2 Jahre lang 8000 Ingenieure und 3 Jahre lang  6000 Ingenieure, so berägt diese Maßzahl 34 TIJ. Die in den Diagrammen angegebenen Werte werden natürlich mit der Auflösung eines einzigen Zeitschrittes berechnet, wie auch aus 5.1 und 5.2 zu ersehen ist.
 
 
 
Bild 5: Die Gleichungen zur Berechnung der Maßzahlen von Ingenieurüberschuss und -mangel
 
Damit sind die Vorbereitungen abgeschlossen und die numerischen Berechnungen können beginnen. Hierzu sind einige Zahlenwerte festzulegen, vor allem der Wertebereich für die Vorgaben N1 woraus dem sich dann die Bereiche der anderen abhängigen Variablen N2 bis N5 ergeben. In den Statistiken und Publikationen über Ingenieurzahlen in Deutschland differieren die Angaben über berufstätige Ingenieure stark. Das liegt vor allem an der unterschiedlichen Abgrenzung des Berufsbildes Ingenieur von anderen Berufen. Das geht mitunter soweit, daß alle in den MINT-Berufen Beschäftigten zusammenfassend als Ingenieure bezeichnet werden. So kommt man auf Zahlen zwischen etwa 0,7 und 1,6 Millionen tätiger Ingenieure. Hier eine genaue Ingenieurdefinition festzulegen ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung, vielmehr geht es um die Relationen zwischen den Variablen N1, N2, N3, N4 und N5. Deswegen soll hier als Referenzgröße die Zahl von 1 Million Ingenieure festgelegt werden. Interessieren andere Werte, so können alle Vorgaben und Ergebnisse der hier durchgeführten Berechnungen mit einem Faktor multipliziert werden, Geht man beispielsweise von 1,6 Millionen Beschäftigter aus, multipliziert man alle Zahlen eben mit dem Faktor 1,6 .

Auch alle zeitabhängigen Berechnungen gehen von der genannten Referenzgröße aus, also von einem einheitlichen Anfangszustand von N3 = 1 Million, der auch einen ausgeglichenen Gleichgewichtszustand.zwischen Beschäftigten, Berufsanfängern und altersbedingt Ausscheidenden darstellen soll. Es gibt in diesem Anfangszustand also weder eine Ingenieurlücke noch einen -überschuß. Mit dieser Festlegung soll sichergestellt werden, daß in die Ergebnisse nicht eine wie auch immer verlaufene Vorgeschichte eingeht, sondern daß sie ausschließlich von den vorgegebenen Parametern abhängen. Im Startzeitpunkt der Berechnungen ist damit die Differenz N3 - N1 zwischen Ist und Soll gleich Null. Die  Abszisse aller Diagramme beginnt im Zeitpunkt Null der Simulationsberechnungen, die Differenz läuft bei den meisten der angesetzten Vorgaben ln Richtung eines negativen Wertes und damit in eine Ingenieurlücke. Die Abszissenbeschriftung ist in Jahren, nicht in der Zahl der Iterationsschritte vorgenommen (1 Jahr = 2 Iterationsschritte).
Die Zeitspammne vom Beginn der Berechnungen bis zum doppelten Wert der Studiendauer ist in den Diagrammen mit einem orangefarbigen Raster unterlegt. Damit soll der Einschwingvorgang besonders markiert werden.

Im Prizip ist die Dauer der Simulation nicht begrenzt.Es ist jedoch sinnvoll, die Diagrammdarstellungen auf die Dauer einer Ingenieurgeneration von 40 Berufsjahren, also 80 Iterationsschritte zu begrenzen. Eine Darstellung über wesentlich längere Zeitbereiche kann bei bestimmten Fragestellungen durchaus sinnvol sein, beispielsweise wenn man im Laufe der Berechnung Paramter p und/oder s in den Gleichungen 4.x selbst von der Zeit abhängig machen will. Das Berechnungsmodell beinhaltet diese Variante, sie wird aber nicht hier sondern erst in einer späteren Publikation angewandt  Es besteht auch die Möglichkeit, eine Darstellungszeitspanne nicht bei dem oben genannten Gleichgewichtszustand beginnen zu lassen, sondern erst zu einem beliebig späteren Zeitpunkt. Das könnte man als Lupenfunktion innerhalb einer längeren Berechnungsdauer bezeichnen.  Auch diese Variante wird hier nicht angewandt.

Neben den Diagrammen stehen die Werte der Parameter, die zu der jeweiligen Darstellung geführt haben. Die blaue Kurve (Lücke oder Mangel) wird durch zwei rechts unten stehende Zahlenwerte ergänzt welche quantitativ die Lücke oder den Mangel  im Darstellungsntervall beschreiben. und mittels der Gleichungen 5.1 und 5.2 berechnet werden.

 
 
Zum vollen Verständnis der folgenden Diagramme ist die Lektüre des vorstehenden Textes erforderlich;
andernfalls erschliessen sich Zielsetzung und Ergebnisse der Untersuchung nicht.
 
 
 
Ergebnisdiagramme  Modell 1
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Ergebnisdiagramme   Modell 2 
 
 
 
 
 
 
 
 
Ergebnisdiagramme   Modell 3 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Ergebnisdiagramme   Modell 4  
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Ergebnisdiagramme   Modell 5
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Zusammenfassung

Wie die Berechnungen zeigen, ist unter allen in der Praxis auftretenden Voraussetzungen eines nicht zu erreichen : Ein schwankungsfreier zahlenmäßiger Ausgleich von Ingenieurbedarf und Studienabsolventen. Es wird immer ein sich stets wiederholendes Auf und Ab geben, vor allem bedingt durch die Ausbildungsdauer und damit die unvermeidbare Verzögerungszeit zwischen Studienbeginn und Eintritt in den Beruf. Welchen Einfluss Verkürzung oder Ausdehnung der Studiendauer und auch andere Parameter auf die Ingenieurlücke haben, ist aus den Diagrammen deutlich zu erkennen. So zeigt sich beispielsweise, daß eine Veränderung der gesamten Dauer der Berufstätigkeit anders als die Studiendauer von relativ geringer Auswirkung ist.

Die mitunter genannten extrem hohen Zahlen für eine Ingenieurlücke oder einen -mangel kommen in keinem der hier dargestellten Ergebnisdiagramme vor. Testläufe der Berechnungen zeigen, daß Extremergebnisse nur mit dem Einsatz von Parametern p und s zustandekommen, die außerhalb der Realität liegen. Das legt die Vermutung nahe, daß die in der Ingenieurdiskussion mitunter genannten exorbitanten Mangel- und Überschußzahlen durch die Verwendung realitätsferner Vorgaben zustande gekommen sind. Wie eingangs dieser Untersuchung genannt, wurden hier durch die Realität nicht gedeckte Vorgaben ebenso ausgeschlossen wie chaotische Konjunkturverläufe.

Zusammengefasst: Hochschulen, Studienanfänger und Wirtschaft müssen sich wohl auch zukünftig in ihren Planungen und Entscheidungen auf einen fortdauernden Wechsel von Ingenieurmangel und -überzahl einstellen Negative Aus-wirkungen lassen sich zwar nicht völlig vermeiden, durch gut überlegte Maßnahmen aber sehr wohl minimieren.

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 15.04.2015, widmet sich der Publizist Georg Giersberg der Lücken-Frage in einem Artikel mit der Überschrift

" Ingenieurmangel   Die verschwundene Lücke kommt wieder
Der Ingenieurmangel galt jahrelang als Mantra der Industrie und der Berufsvertreter. Jetzt hat er sich auf subtile Weise aus dem Staub gemacht - und wird in zehn Jahren zurückerwartet ".

http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/arbeitswelt/bedarf-an-ingenieuren-in-deutschland-veraendert-sich-13529808.html

Schliesslich hier noch das in erweitertem Sinn zum Thema gehörende Zitat eines Vertreters eines Ingenieurverbandes aus der Zeit der Diskussionen um die Abschaffung des deutschen Diplom- Ingenieurs und die Einführung von Bachelor- und Masterabschlüssen. Das Zitat erinnert uns mit einfachen Worten und damit besonders deutlich daran, was der Ingenieur für Deutschland bedeutet :
" Der Diplom-Ingenieur hat uns reich gemacht "
 
 
Anmerkungen:

1) Wenn hier von Studenten, Ingenieuren usw. gesprochen wird, so ist selbstverständlich gemeint : Studenten und Studentinnen, Ingenieure und Ingenieurinnen, Absolventen und Absolventinnen usw.

2) Wo es sinnvoll erscheint, wurde hier nicht die neue Rechtschreibung verwendet, sondern die "alte" beibehalten.