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17.09.2014

Dr.- Ing. Albert  OTT

Prof. Dr.- Ing. Albert OTT ,  Wiesbaden

Schumann - Wellen und Schumann - Resonanzen

Schumann - Wellen sind elektromagnetische Wellen sehr niedriger Frequenz; sie liegen  (auf ganzzahlige Zehnerpotenzen gerundet) im Bereich 10 0 bis 10 2 Hertz. Wegen bereits bekannter, neu vermuteter und noch zu erforschender Einwirkungen auf biologische Systeme, insbesondere auch auf das menschliche Gehirn, erfahren Schumann - Wellen derzeit eine steigende Aufmerksamkeit. Sucht man jedoch im Internet Informationen über diese Wellen, so findet man über ihre Entstehung und  physikalischen Eigenschaften nur unzureichende Informationen und leider auch viel Falsches.

Es ist deshalb angebracht, hier eine kompakte und dabei physikalisch korrekte Darstellung der Schumann - Wellen und der damit zusammenhängenden Schumann - Resonanz zu veröffentlichen.

 

Die Schumann - Wellen wurden im Jahr 1952 von Prof. Dr. Winfried Otto Schumann ( 1888 Tübingen - 1974 München  ) , Professor für Elektrophysik und Direktor des Elektrophysikalischen Instituts an der Technischen Universität München, aufgrund theoretischer Überlegungen entdeckt und tragen deshalb seinen Namen [ 1 ].. Sie wurden in den darauffolgenden Jahren experimentell nachgewiesen und  untersucht, u.a. von Prof. Herbert L. König, der ebenfalls an der Technischen Universität München lehrte [ 4 ].   

 

Die Schumann - Wellen sind geführte elektromagnetische Wellen, die sich abstrahlungsfrei ausbreiten. Als Führungsmedien dienen die Erdoberfläche und die Ionosphäre. In dem Raum zwischen diesen beiden Flächen breiten sich die Wellen aus. Bild 1 zeigt dies schematisch.

Bild 1: Ausbreitungsbereich der Schumann - Wellen zwischen Erdoberfläche und Ionosphäre

In seiner Originalarbeit aus dem Jahr 1952 nahm Schumann für die Erdoberfläche die Eigenschaften eines idealen elektrischen Leiters an, für die Ionosphäre dagegen einen Leiter mit Verlusten. Bei den nachfolgend geführten Rechnungen soll auch die Ionosphäre als idealer Leiter angenommen werden. Dies ermöglicht es, die Rechnungen auf das Wesentliche, nämlich die Ableitung der Feldkomponenten und der Schumann- Resonanzfrequenzen, zu konzentrieren. Die Frequenzabweichungen zu den Ergebnissen der ursprünglichen Annahmen können leicht durch einen Korrekturfaktor berücksichtigt werden.

Der Raum für die Wellenausbreitung stellt mit diesen Annahmen ein abgeschlossenes Volumen dar, welches die Welle nicht verlassen kann. Damit sind bestimmte Beziehungen zwischen den geometrischen Größen des Volumens und der Wellenlänge verbunden, welche zu einem Resonanzverhalten führen . Die entsprechenden Frquenzen sind die Schuman - Resonanzfrequenzen oder kurz Schumann - Resonanzen. Diese sollen durch die nachfolgende Darstellung herausgearbeitet werden.

Die Resonatorabmessungen und damit die Resonanzfrequenzen werden wesentlich durch den Erdradius R und durch den Abstand h der beiden elektrisch leitenden Ebenen, also durch die Höhe der Ionosphäre über der Erdoberfläche bestimmt.

Bild 2: Elektronendichte in der Ionosphäre als Funktion der Höhe über der Erdoberfläche

Die elektrische Leitfähigkeit der Ionosphäre beruht auf dem Vorhandensein freier Elektronen. Diese werden durch Ionisation der Gasatome und -moleküle durch die von der Sonne kommende Strahlung freigesetzt. Je höher die Elektronendichte umso höher ist die elektrische Leitfähigkeit der Ionosphäre. Der in Bild 2 gezeigte typische Verlauf der Elektronendichte als Funktion der Höhe ist nicht konstant, sondern schwankt im Rhythmus von Tag und Nacht, ist abhängig von der Jahreszeit und von der jeweiligen Sonnenaktivität. Damit ändern sich die Ausbreitungsbedingungen für die Schumannwellen dauernd und die Schumann - Resonanzen unterliegen beständigen, allerdings nicht allzu großen Schwankungen.  Als mittlere Höhe der Ionosphäre über der Erdoberfläche sind gemäß Bild 2 einige hundert km anzunehmen, ein relativ kleiner Wert verglichen mit dem mittleren Erdradius von ca. 6.400 km.

Das Volumen für die Wellenausbreitung hat somit die Form einer Kugelschale. Die Feldberechnung hat also mit dem dieser Geometrie angemessenen Koordinatensystem, dem räumlichen Polarkoordinatensystem, kurz Kugelkoordinatensystem genannt, zu erfolgen. Die Anschaulichkeit und das physikalische Verständnis für die Schumnann - Wellen werden sehr gefördert, wenn man der Berechnung in Kugelkoordinaten eine Betrachtung im einfachsten Koordinatensystem, nämlich dem cartesischen System, vorschaltet. Dieser Weg soll hier eingeschlagen werden..

Bild 3 : Modell des E110 - Resonators in cartesischen Koordinaten

Bild 3 zeigt zwei als ideal elektrisch leitend angenommene Platten im Abstand h  mit der Bedeutung Erdoberfläche bzw. Ionosphäre. Die Querabmesungen seien endlich, a in x - Richtung, b in y - Richtung. Durch Einbau elektrisch leitender, vertikal stehender Wände bei  x = -a/2,  x=+a/2,  y=-b/2 und  y=+b/2  entsteht daraus ein quaderförmiger Resonator. In diesem soll die aus der Hochfrequenztechnik gut bekannte E110 - Resonanz angeregt werden [ 5 ]. Dazu sind drei Feldstärken hinreichend und notwendig, nämlich Ez, Hx und Hy. Die drei Feldstärken sind abhängig von x und y und sind nicht abhängig von z; dies ist ein Merkmal der E110 - Resonanz.

Für das Wellenfeld gelten die Maxwell - Feldgleichungen

Mit den genannten Vorgaben verbleiben von den sechs in (1) enthaltenen partiellen Differentialgleichungen die folgenden drei

Diese drei Gleichungen faßt man durch Einsetzen von ( 2.1 ) und ( 2.2 ) in ( 2.3 ) zusammen und erhält die Wellengleichung für Ez

Daraus ergibt sich zunächst eine Lösung für Ez und durch Hinzunahme von ( 2.1 ) und ( 2.2 ) folgen die Lösungen für Hx und Hy

Die drei Feldstärken müssen Randbedingungen erfüllen wie folgt:

a) auf elektrisch leitenden Wänden müssen die elektrischen Feldstärken senkrecht stehen, dürfen also keine   Tangentialkomponente haben.

b) an elektrisch leitenden Wänden müssen die magnetischen Feldstärken wandparallel verlaufen, dürfen also keine Normalkomponente haben.

Als Lösung für Ez kommt damit infrage

woraus sofort die Lösungen für Hx und Hy folgen

Die Resonanzbedingung für die E110 - Resonanz erhält man durch Einsetzen von (4) in die Wellengleichung ( 3 )

Nun soll die Feldkonfiguration des Schumann - Resonators Erde durch Übertragen des Feldes aus Bild 3 auf die Kugelkoordinaten veranschaulicht werden. Dazu denkt man sich die Zeichenebene für das blau gezeichnete E - Feld und die beiden rot gezeichneten H - Felder zweimal als Tangentialebene an die Erdkugel angelegt, beispielsweise am Nordpol und am Südpol. Die oben genannten vertikal stehenden elektrisch leitenden Ebenen bei x = +- a/2 und y = +- b/2 sind dabei natürlich nicht vorhanden. Beide Zeichenebenen denkt man sich nun an ihren Rändern in Richtung Äquator gefaltet. Am Äquator treffen dann jeweils gleichgerichtete magnetische Feldstärken aufeinander und bilden zusammengenommen einen Ring magnetischer Feldstärken um den Äquator herum. Eine der elektrischen Feldstärken weist am Nordpol von der Erdoberfläche weg, die andere am Südpol zur Erdoberfläche hin. Dieses Feldbild idefiniert den Grundmodes der Schumann - Wellen.

Das beschriebene Verfahren des Anlegens und Faltens einer in cartesischen Koordinaten abgeleiteten Feldkonfiguration an eine Kugel ist natürlich keineswegs mathematisch korrekt; es unterstützt aber das anschauliche Verständnis der physikalischen Zusammenhänge und ist dann gerechtfertigt, wenn die exakte Darstellung des Kugelfeldes nicht unterbleibt, sondern ebenfalls durchgeführt wird, wie das anschließend erfolgen soll.

 

Die soeben genannte Auswahl der Punkte Nord- und Südpol für die beiden Tangentenpunkte ist willkürlich. Als Tangentenpunkte können zwei beliebige diametral gegenüberliegende Punkte der Kugeloberfläche gewählt werden.

Das Feldbild ändert sich dabei nicht grundsätzlich, sondern verlagert sich winkelmäßig nur an andere Positionen. Dies ist in Einklang mit der Tatsache, daß die Schumann - Wellen keine bevorzugte Polarisationsrichtung hinsichtlich der Erdachse haben, ihre Richtung wird durch die Anregung bestimmt, die vor allem durch Gewitterentladungen erfolgt.

Der beschriebene Vorgang des Übertragens der Feldstärken aus dem cartesich berechneten Modell an die Erde führt zu der notwendigen Bedingung, daß für die Größen a und b aus Gleichung ( 6 ) gilt

                                a  =  b  =   halber Erdumfang = p * R     mit    R =  Erdradius   ca.   6.400 km

woraus die Gleichung für die Resonanzfrequenz fr des Grundmodes dieser Modellvorstellung  der Schumann - Wellen folgt

Die zahlenmäßige Berechnung der Resonanzen dieses Feldes erfolgt zusammen mit den Gleichungen (17) und (18), die für das Kugelkoordinatenfeld abgeleitet werden.

Nach der Behandlung der vereinfachenden Modellvorstellung der Schumann - Wellen in cartesischen Koordinaten soll nun die  der Kugelgestalt der Erde angemessene Darstellung in räumlichen Polarkoordinaten erfolgen. Dazu zeigt Bild 4 einen Ausschnitt aus dem Kugelkoordinaten - System mit den auftretenden Feldstärken. 

Bild 4 : Modell des Resonators in räumlichen Polarkoordinaten

Verglichen mit dem Modell aus Bild 3 ergibt sich folgende Zuordnung der Feldstärken

cartesische Koordinaten räumliche Polarkoordinaten
Ez Er
Hx Hj
Hy Hq

Die Feldstärken sind hier Funktionen von j und q und hängen nicht ab von r. Damit liefern die allgemeinen Maxwell - Feldgleichungen (1) hier das Gleichungssystem (8.1) bis (8.3)

Das Einsetzen von (8.1) und (8.2) in (8.3) liefert hier die Wellengleichung (9) für Er , die in Analogie zu (3) aus dem ebenen Modell steht.

Diese partielle Differentialgleichung hat im Prinzip unendlich viele Lösungen, wir suchen hier die Lösung für die Wellenmoden der E - Resonanz mit dem Produktansatz

welcher die Separation der beiden Variablen j und q gestattet.

Der Faktor g ( j ) muß als periodische Funktion Funktion gewählt werden, da nach Durchlaufen des Vollwinkels

2 * p die Wellenfunktion stetig in die Werte bei j = 0 übergehen muß. Der Faktor m (m = 1, 2, 3, ...) liefert Wellenmoden steigender Ordnungszahl. Für die Funktion f ergibt sich aus dem Produktansatz die gewöhnliche Differentialgleichung (11).

Die Gleichung (11) läßt sich mit der Substitution u = cos(q)  in die normale Form der Legendre - Differentialgleichung bringen [7], [8]

für welche in der mathematischen Literatur als Lösungen die Legendreschen Polynome P zu finden sind, wie ein Koeffizientenvegleich von (12) und (13) unmittelbar zeigt.

Die Lösungen lauten für m > 0 (14) und für m=0 (15)

Die hier zur Darstellung ausgewählte Schumann - Resonanz findet man für m = 0 .durch Vergleich der Terme in den runden Klammern in (12) und (13)

wobei die Lichtgeschwindigkeit c im freien Raum und der Erdradius R eingeführt werden. Explizit ist die Folge der Schumann -Resonanzfrequenzen gegeben durch

wobei  c  =  3 * 10 10  cm /s  und     R  =  6.400 km   =   6,4 * 10 8  cm  mit einer für praktische Rechnungen ausreichenden Näherung eingesetzt werden können. Der Term  c / (2 p R )  nimmt den Zahlenwert 7,46 s -1 an

und die Folge der Schumann - Resonanzfrequenzen lautet

Für den Bereich 1 <= l <=5 sollen die nach (18) berechneten Schumann - Resonanzfrequenzen den experimentell gemessenen gegenübergestellt werden

Ordnung   l                                              1             2             3            4             5

fr / Hz    berechnet nach (18)               10,55    18,27     25,84     33,36     40,86

fr / Hz    gemessen nach [4]                   7,8        14,1       20,5       26,5       32,2

Die Abweichungen zwischen berechneten und gemesssenen Frequenzen erscheinen auf den ersten Blick groß, tatsächlich liegt ein Faktor von im Mittel 0,78 zwischen beiden Wertereihen. Angesichts der Tatsache, daß die Berechnungen unter der Voraussetzung idealer elektrischer Leitfähigkeit von leitender Erdschicht und Ionosphäre gemacht wurden, ist die Übereinstimmung jedoch überraschend gut. Schumann selbst hat auf diesen Umstand hingewiesen  [2], [4].

In Bild 5 wird das Feldbild für den Grundmode der Schumann - Wellen gezeigt. Es stellt einen Schnitt durch das Feld dar, wobei die Zeichenebene diejenige Ebene ist, in welcher die z - Achse von Bild 4 liegt. Von der elektrischen Feldstärke Esind nur die beiden Vektoren an den Stellen ihrer Maximalwerte gezeichnet um das Bild nicht unübersichtlich zu machen. Natürlich sind nach Maßgabe der Lösungengsfunktionen gemäß (14) und (15) überall Radialkomponenten der Feldstärke vorhanden. Die elektrischen Feldstärken Er ist mit einem hellgrün gezeichneten Verschiebungsstrom der Stromdichte Sv verknüpft nach der Gleichung   Sv = j w e * E . Auch sie ist auf der gesamten Kugeloberfläche vorhanden. Die Verschiebungsströme setzen sich in der oberflächennahen Zone der Erde und in der Ionosphäre als gelb dargestellte Leitungsströme fort, so daß geschlossene Ströme fließen. Diese sind mit dem Magnetfeld verknüpft, welches rot dargestellt ist. 

Bild 5 : Feldbild des Grundmodes der Schumann - Wellen

Nach ihrer theoretischen Vorhersage durch Schumann im Jahr 1952 wurden die Schumann - Wellen und ihr Resonanzverhalten eingehend experimentell untersucht wobei die Messungen bis heute weitergeführt werden. Der gerätetechnische Aufwand hierzu ist erheblich, da die Feldstärken vor allem wegen der gedämpften Wellenausbreitung sehr gering sind. Störfelder aus dem 50 - Hz - Netz .(in Europa, 60 Hz - Netz in USA und anderen Ländern) sowie aus dem Bahnstromnetz machen entsprechende Filterverfahren erforderlich. Über Anwendungen der Schumann - Wellen wird ausführlich in [4] berichtet. 

 

Literatur

 

[1]  Schumann, W.O.: Über die strahlungslosen Eigenschwingungen einer leitenden
Kugel, die von einer Luftschicht und einer Ionosphärenhülle umgeben ist, Z.
Naturforsch. 7a, 149, (1952)

 

[2]  Schumann, W.O. :Über die Dämpfung der elektromagnetischen Eigen-
schwingungen des Systems Erde-Luft-Ionosphäre, Z. Naturforsch. 7a, 250,
(1952)


[3]  Schumann, W.O. und H. König, : Über die Beobachtung von Atmospherics bei
geringsten Frequenzen, Naturwissensch., 41, 283, (1954)
 

[4] König Herbert L. :  Unsichtbare Umwelt, Peiting 2012

 

[5] Meinke, Hans Heinrich : Felder und Wellen in Hohlleitern, München 1949

 

[6]  Meinke, H.H. , Gundlach, F.W. : Taschenbuch der Hochfrequenztechnik, Berlin, Heidelberg, New York 1986

 

[7]  Sommerfeld, Arnold : Partielle Differentialgleichungen der Physik, Leipzig 1966

 

[8]  Abramowitz, M. , Stegun, I.A. :Handbook of Mathematical Functions, Washington D.C. 1964

[9] Jackson, David John : Klassische Elektrodynamik, Berlin New York 1983

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